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1877 - 1977

In der Folge des gewonnenen Krieges gegen Frankreich in den Jahren 1870/1871 werden in ganz Deutschland sogenannte Kriegervereine gegründet. Patriotismus und Vaterlandsliebe, Kaiser- und Fürstenverehrung finden in diesen meist ländlichen Vereinen ihren Ausdruck. Auch in Usseln gründen sieben Männer einen Kriegerverein. Dies geschieht am 2. September 1877, dem Jahrestag der Schlacht bei Sedan. Sogleich werden als Ehrenmitglieder weitere 12 Usselner aufgenommen, sicherlich ehemalige Soldaten. Als Leitsatz wählen die Gründer die preußische Parole: “Mit Gott für König und Vaterland, mit Gott für Kaiser und Reich”.

Schon im Folgejahr 1878 findet das erste Kriegerfest in Usseln statt. Lt. Protokollbuch werden dafür “7 musikalische Personen aus Worra” verpflichtet. Weitere Informationen fehlen, erst über das Kriegerfest 1879 erscheint ein Bericht im “Waldeckischen Anzeiger”. Trotz zweifelhafter Witterung ist das Fest wohl ein voller Erfolg. Der Artikel spricht von militärischer Pünktlichkeit und Ordnung und endet mit einer Festbeschreibung in Versform:

“...immer noch etwas ländlich
doch Wein und Bier nicht säuerlich
der Braten auch schön käuerlich,
und das Beste,
die Rechnung gar nicht theuerlich”

Die Kriegerfeste 1878 und 1879 werden in den Räumen der Gastwirtschaft Figge (Riepen) veranstaltet. Schon zum Fest 1880 steht ein Zelt auf “Riepen Wiese”, dort wo sich heute die Kuranlagen an der Mittelstraße befinden. Ein Jahr später kann das Usselner Kriegerfest bereits in zwei Zelten gefeiert werden. Ein “Drinke-“ und ein “Danzezelt” geben mehr Platz zum Feiern als die beengten Räume der Gastwirtschaft.

Im Jahr 1882 muß das Kriegerfest erstmalig abgesagt werden. Ein schwerer  Hagelschlag hat auf den Feldern so großen Schaden angerichtet, dass zum Feiern  aufgrund der wirtschaftlichen Not kein Anlaß besteht. Schützenfest 1903Der erste große Höhepunkt in  der Geschichte des Kriegervereins ist die Weihe der  Vereinsfahne anläßlich des  Kriegerfestes am 12. und 13. August 1888. Festredner Lehrer Euler erinnert in  seiner  Festansprache an die großen Ereignisse der Jahre 1870/1871 und geht auch  auf die  vor kurzem verstorbenen Deutschen Kaiser Wilhelm I. und Friedrich III. ein. Nach  einem Hoch auf Kaiser und Fürst, dem gemeinsam gesungenen Lied “Heil Dir  im  Siegerkranz” und einem Vortrag des Gesangvereins Usseln bewegt sich ein  großer  Festzug durch die Dorfstraßen. Tanz im Festzelt und ein kleiner  Vergnügungspark  mit “Caroussel” und “Seil- und Feuerkünstlern” garantieren frohe  Stimmung, so dass  viele Usselner spontan noch einen dritten Festtag hinzufügen.

Bald veranstaltet man das Kriegerfest mit dem traditionellen “Kram- und Viehmarkt” zusammen. Für die Mitglieder bedeutet die Vorbereitung viel Arbeit. Besonders der Aufbau der beiden Zelte nimmt einige Zeit in Anspruch. Allerdings gibt es auch Jahre, in denen kein Fest durchgeführt wird. Weitere Vereinsveranstaltungen sind die Sedansfeier, Kaisers Geburtstag und die Mitgliederversammlungen, die wegen des Kassierens der Beiträge zeitweise sogar monatlich durchgeführt werden. Auch auswärtige Kriegerfeste, so zum Beispiel im Nachbarort Willingen, werden besucht. Ab 1897 feiert man das Kriegerfest einige Jahre im Garten des Landwirts Ludwig Bender-Klenken wo beide Zelte aufgestellt werden können. Hier geht es wohl ganz besonders hoch her, denn noch hundert Jahre später hört man in Usseln den Ausspruch: “Et was en Ungelücke up Klenken Schköüre”. Um die Jahrhundertwende ist der Verein im Dorf fest etabliert, das Kriegerfest in Verbindung mit dem Markt das Hauptereignis im Jahresablauf. Besonders die Kinder fiebern dem Fest schon wochenlang entgegen. Preiselbeeren und Kronoggen (Heidelbeeren) werden eifrig gesammelt und verkauft, um einige Pfennige für die Festtage sparen zu können.

Festzug 1920Zum Schützenfest 1920 wird erstmals mit dem Gewehr auf den Vogel geschossen. Auch findet am 2. Festtag wieder der traditionelle Kram- und Viehmarkt statt. Ab 1920 ist in der Schützenhalle das “Vereinszimmer” an jedem Sonntag von 15.00 Uhr bis zur Polizeistunde geöffnet. Der Vereinswirt betreibt es als Lokal für die Schützenbrüder, die hier ihr sonntägliches Bier trinken. Auch wird in diesem Jahr die erste Kegelbahn in der Schützenhalle erbaut, die man allerdings bereits 1924 in den Keller des Gebäudes verlegt. Damit ist die “Hölle” geboren.

Im Inflationsjahr 1923 wird das von der Gemeinde errichtete Ehrenmal am Loh für die Gefallenen des Weltkrieges eingeweiht. Der vom Schützenverein niedergelegte Kranz kostet 500 Millionen Mark. 1926 veranstaltet man am Vorabend des Schützenfestes erstmals einen Fackelzug zum Ehrenmal, wo der Gefallenen gedacht wird. Das 50. Jubiläum der Vereinsgründung im Jahr 1927 wird nicht in besonderem Rahmen gefeiert. Der erste Kommersabend, zu dem aber nur männliche Personen Zutritt haben, findet 1928 statt. Damit ist nun auch der Sonnabend mit in das Fest einbezogen. Anfang der 30er Jahre gibt es in Usseln einen Musikverein, der auch zum Schützenfest aufspielt. 1932 entscheidet sich die Generalversammlung jedoch für die Verpflichtung der Musikkapelle Bauer aus Kassel.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 wird statt des Vorsitzenden ein Vereinsführer gewählt, die übrigen Vorstandsmitglieder von der NSDAP bestimmt. Die Partei übt großen Einfluß auf das Vereinsleben aus, auch auf die Nutzung der Schützenhalle hat der Vorstand nur noch wenig Einfluß. Bis 1939 finden regelmäßig Schützenfeste statt. Danach bringt der zweite Weltkrieg viel Leid und Elend über unser Dorf. Anfangs noch begeistert ziehen die Männer in den Krieg, das Vereinsleben kommt  zum Erliegen.

Eine große Anzahl von Usselnern fällt an allen Fronten, gilt als vermißt oder stirbt in Gefangenschaft. Mit dem Einzug der amerikanischen Streitkräfte am 29. März 1945 endet für Usseln die schreckliche Zeit des Nationalsozialismus. Im Januar 1947 wird als Nachfolger des Schützenvereins der Bürgerverein gegründet. Der alte Name hat wohl einen für die  Nachkriegszeit zu militärischen Klang, jedoch wird von den Usselner weiterhin der Begriff “Schützenverein” benutzt. Beim ersten Bürgerfest 1947 darf nach dem Besatzungsrecht nicht geschossen werden. Ein sogenannter Ehrenpräsident wird durch Keulenwürfe auf den Holzvogel ermittelt. Dr. Helmut Mitze erweist sich als der treffsicherste Werfer und ist damit der erste Usselner Ehrenpräsident.

Zu dieser Zeit befindet sich die Schützenhalle nicht im Eigentum des Vereins, sie war nach Ende des Krieges beschlagnahmt worden. 1950 gelingt es dem Schützenverein, das Gebäude für fast 10.000 DM vom Land Hessen wieder zurückzukaufen. Zum Schützenfest 1950 darf dann wieder auf den Vogel geschossen werden, wobei das Schießen auf dem Sportplatz in Richtung Lohwald durchgeführt wird. Auch das 75. Jubiläum des Schützenvereins im Jahr 1952 feiert man nur im Rahmen der üblichen Schützenfesttage.

Ein Höhepunkt ist allerdings die Weihe der neu angeschafften Vereinsfahne, die ihre im 2. Weltkrieg verloren gegangene Vorgängerin ersetzen soll. Ein Kuriosum geschieht beim Vogelschießen 1953: Karl Heinz Mohr gelingt es als amtierender Schützenkönig mit den üblichen drei Ehrenschüssen zu Beginn des Wettbewerbs, den Holzvogel erneut von der Stange zu holen. Obwohl Karl-Heinz Mohr auch im zweiten Jahr seiner Regentschaft ein guter Usselner Schützenkönig ist, beschließt man, den Vogel in so einem Fall zukünftig wieder aufzustellen. Mitte der 50er Jahre lösen die Schützenhüte die Schirmmützen, die bisher getragen wurden,  ab. Der Kommersabend, bisher eine reine Männerveranstaltung, wird nun öffentlich als Festkonzert durchgeführt. Auch auswärtige Schützenvereine nehmen am sonntäglichen Festzug teil, das war in den ersten Jahren der  Nachkriegszeit  nicht der Fall gewesen.

1962 kann eine neue vollautomatische Kegelbahn in der “Hölle” eingeweiht werden. In dieser Zeit gibt es große Schwierigkeiten, Gespanne und Kutschen in genügender Anzahl zur Durchführung des Festzuges zu bekommen. Aufgrund der Motorisierung der Landwirtschaft sind Pferde im eigenen Dorf rar geworden. Ab 1964 bereichert eine Gewehrgruppe aus Reihen des Vereins für einige Jahre den Festzug. Anfang der 70er Jahre wird eine einheitliche Kleidung für alle Schützenbrüder eingeführt. Mit der neuen grünen Uniform und dem dazu passenden Hut machen die Usselner Schützen auf dem Fest und besonders bei den Festzügen eine gute Figur.

Eine große Renovierung der Schützenhalle steht 1972 an. Für 90.000 DM werden unter anderem die Heizung und der Fußboden erneuert und eine Lautsprecheranlage eingebaut. Die damals noch selbständige Gemeinde Usseln trägt die Hälfte der Kosten. Ein Jahr später wird die neu errichtete Liegehalle, der spätere Kursaal, eingeweiht. Durch die direkte Verbindung zur Schützenhalle ergeben sich für den Festablauf beim Schützenfest wesentliche Verbesserungen.

Im Jahre 1973 verabschiedet die Generalversammlung eine neue Satzung. Gleichzeitig ändert man den Namen des Vereins in “Schützengesellschaft Usseln e.V.”, um an die mittelalterliche Schützentradition in Usseln anzuknüpfen. Ziele der Schützengesellschaft sind nach der neuen Satzung die Förderung der Dorfgemeinschaft, die Pflege des heimischen Brauchtums, die Erhaltung der Liebe zur Heimat und nicht zuletzt die jährliche Durchführung eines Schützenfestes als Usselner Heimatfest.

1974 bildet sich unter dem Dach der Schützengesellschaft eine Luftgewehr-Schießgruppe, die seitdem mit mehreren Mannschaften an Schießwettkämpfen teilnimmt. Mit den Jubiläumsfeiern und der Festwoche im Jahr 1977 werden die ersten 100 Jahre der Geschichte der Schützengesellschaft Usseln glanz- und würdevoll abgeschlossen.


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23.04.2024
Quelle: Waldeckische Landeszeitung vom 22.04.2024
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